Eine recht sehenswerte Kirche mit beachtenswerter Ausstattung befindet sich in Pestenacker.
Die eigenständige Pfarrei gehört zur Pfarreiengemeinschaft Weil, hat aber selber nur ca. 220 Katholiken bei 270 Einwohnern. Der Ortsname, der auf den ersten Blick an die Pest erinnern mag, leitet sich wahrscheinlich ab von dem keltischen Wort 'Pez' für Sumpf (also sumpfige Äcker), könnte aber auch vom Personennamen Paso kommen, also auf eine Ortsherrschaft hinweisen. Schon jungsteinzeitliche Besiedlung kann nachgewiesen werden. Die seit unbekannter Zeit bestehende Pfarrei Pestenacker gehörte seit 1448 zu der bis zur Säkularisation 1803 vom Kloster Polling besetzten Pfarrei Walleshausen. Zur Versorgung der auswärtigen Ortschaften war 1453 vom Bischof ein Kaplan genehmigt worden. 1870 wurde mit Spenden ein - inzwischen abgerissenes Kaplanhaus - errichtet, sodass ein Expositus am Ort wohnen konnte. Damit wurde das immerwährende Bestreben Pestenackers, eine eigene Pfarrei zu sein, unterstrichen, nachdem es dauernde Rivalitäten gegeben und die Pestenackerer sich ständig zurückgesetzt gefühlt hatten. Mit königlichem Dekret vom 8. November 1907 wurde Pestenacker dann eine selbständige Pfarrei, wie es sie wohl schon vor 1448 gewesen war.
Der Kirchenbau ist ein im Kern spätgotischer Saalbau (um 1400) mit frühgotischem Turmunterteil. Wie viele Kirchen erfuhr die Pestenackerer Kirche im bauwütigen 18. Jahrhundert eine barocke Umgestaltung. Der Barock wollte – im Gegensatz zu der gen Himmel strebenden Gotik – den Himmel auf die Erde holen, gleichsam einen Festsaal der göttlichen Herrlichkeit schaffen, um so den Gläubigen einen Vorgeschmack auf die Ewigkeit bei Gott zu geben. Daher die an Schmuck nicht zu überbietende Ausstattung. Ursprünglich war die Kirche dem hl. Papst Sylvester geweiht, wovon noch der rechte Seitenaltar mit dem Bildnis des Heiligen, die hinteren Medaillonmalereien an der Decke des Langhauses mit Szenen aus der Sylvesterlegende und an der südlichen Langhauswand ein Figurenensemble, geschaffen um 1700 von Heinrich Hagn (Weilheim), zeugen. Im 18. Jahrhundert (zwischen 1727 und 1766) mutiert das Patrozinium zu einem Doppelpatronat St. Sylvester und St. Ulrich. Vielleicht war für die Intensivierung der Ulrichsverehrung mitursächlich ein Besuch des Bischofs Joseph, Landgraf von Hessen-Darmstadt, der - in Dankbarkeit für eine Übernachtung - der Pfarrei Ulrichsreliquien, gefasst in einer silbernen Kapsel, schenkt, die am Hochaltar in einem silbernen, vergoldeten Herzen angebracht werden, welches heute aber nicht mehr vorhanden ist.
Nach einem Blitzschlag in den Turm wird dieser 1710 (auf 21m) erhöht und umgestaltet. Aus dem ursprünglichen Sattelturm wird jetzt ein barocker Zwiebelturm nach dem Muster des Augsburger Baumeisters Elias Holl. Im unteren, wuchtigen Teil des frühgotischen Turmes sind noch die Giebelbogenfriese mit Deutschem Band zu erkennen.
Auch das Kircheninnere wurde ab 1710 verändert und erfährt eine hervorragende Ausstattung unter Beibehaltung des alten Mauerwerkes. Die flache Holzdecke macht dem neuen Gipsgewölbe im Langhaus Platz. Der feingliedrig wirkende Stuck mit Akanthusranken und darin eingestreutem Muschelwerk stammt vom sonst wenig bekannten Pollinger Stuckateur Benedikt Perghofer aus der Wessobrunner Schule (um 1715). Lorbeergewinde säumen die Grate und umrahmen die von Anton Niedermaier stammenden Freskengemälde in Medaillonform an der Decke (1970 wieder frei gelegt). Das große Deckengemälde im Langhaus zeigt die „hl. Sippe“, Maria mit dem Jesuskind, Elisabeth und Zacharias mit Johannes d. Täufer, Joachim und Anna und den hl. Josef. Die vorderen beiden Medaillonfresken bringen Szenen aus der Ulrichsvita, auf der Südseite das Wunder, dass bei der Feier des Messopfers Gott selbst vom Himmel her eingreift (“St. Ulrich, des Messopfer bey dem Altar vom Himmel gesegnet war.”), auf der Nordseite der hl. Ulrich auf Visitationsreise, dargestellt mit seinem Symbol, dem Fisch, herrührend vom freitäglichen Fischwunder: Die Legende erzählt, dass er eines Donnerstagsabends mit seinem heiligen Freund, Bischof Konrad von Konstanz, in frommen Gesprächen beisammen saß. Es war inzwischen Freitag geworden, da kam ein Bote des bayerischen Herzogs. Da die Speisen vom Vortag her noch auf dem Tisch standen, gab ihm Ulrich, ohne an den Freitag zu denken, ein Stück Braten mit. Als der Abgesandte nun zum Herzog kam, wollte er den Bischof als Brecher des Fasttages verdächtigen. Wie er jedoch das Fleisch auswickelte, war es ein Fisch geworden.
Die Kanzel stammt aus dem Jahr 1713. Die damals im Turm befindliche Sakristei wurde 1727 ausgebaut, bevor dann 1755 an der Südseite eine neue, helle, kapellenartige Sakristei errichtet wurde, die eine beachtliche Innenausstattung birgt. Bemerkenswert ist auch die Ewig-Licht-Ampel, deren Teile bis aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen. Den Hochaltar erbaute der aus der gleichnamigen Kleinkitzighofer Altarbauerfamilie stammenden Ginter, der in München seine Werkstatt hatte. Das darin befindliche Altarbild von Wenzeslaus Albert zeigt den hl. Bischof Ulrich. Der Schriftzug im aufgeschlagenen Buch erinnert an den Weltauftrag der Christen: Ihr seid das Licht der Welt. Im Auszug des Hochaltars ist der hl. Bischof Augustinus mit einem entflammten Herzen zu sehen, worin sich die ganze Gottes- und Wahrheitssehnsucht, aber auch das Streben nach Hingabe dem Nächsten gegenüber offenbart. Der Schriftzug im aufgeschlagenen Buch (“Ante omnia diligatur deus deinde et proximus.”) ist der Beginn der Augustinerregel. Die seitlichen Figuren stellen den hl. Apostel Andreas und den hl. Joseph dar.
Die Seitenaltäre stammen aus dem Jahr 1792, das Hauptbild zeigt den hl. Papst Sylvester (ursprünglich wohl am Hochaltar), oben im Auszug den hl. Antonius. Vor dem Altarbild eine Figur des hl. Ignatius. Auf dem linken Seitenaltar Maria unter dem Kreuz als Schmerzensmutter, durch deren Seele ein Schwert dringt, wie ihr bei der Opferung im Tempel nach der Geburt Jesu der greise Simeon einst prophezeit hatte. Am oberen Auszug die Mutter Maria, die hl. Anna und der hl. Joachim. Vor dem Altarbild eine Figur des hl. Franz Xaver (wie auch der hl. Ignatius vom Landsberger Bildhauer Lorenz Luidl, Anfang 18. Jhdt.). Die Verehrung der Jesuitenheiligen Ignatius u. Franz Xaver geht wohl auf Verbindungen (vielleicht sogar Besitzansprüche) des Landsberger Jesuitenklosters zurück. Noch ein weiterer jesuitischer Bezug taucht im Deckengemälde des Chorraumes auf: Der hl. Ignatius von Loyola kniet auf einer Wolke und hält mit der Rechten das Jesusmonogramm über das Herz Jesu als ob er es dem hl. Ulrich hinhielte, der sein Herz daran entflammen lässt; vor Ignatius ein aufgeschlagenes Buch mit dem Text: “ad maiorem dei gloriam – (alles) zur größeren Ehre Gottes” und das Jesus-monogramm IHS (die ersten drei Buchstaben des griech. Namens ΙΗΣΟΥΣ bzw. des lateinisierten griech. IHC), von den Jesuiten propagiert und als Wappenzeichen verwendet, das oftmals falsch gedeutet wurde (Jesus Heiland Seligmacher, Jesus Hominum Salvator, In hoc salus, In hoc signo).
Die beiden kleineren Medaillonfresken im Chorraum sind in ihrer Darstellung zwar klar erkennbar, aber von ihrer Bedeutung her nicht sicher zu deuten. Im nördlichen Medaillon fällt von einer Monstranz mit dem Allerheiligsten in den Wolken ein Lichtstrahl durch ein Glas in Form eines Spiegels wie durch ein Brennglas das die Herzen der Menschen entzündet. Im Hintergrund Schiffe auf dem Meer, die ein Gleichnis des menschlichen Lebens darstellen: Dem Schiff des Heils, das in einer Lebensgestaltung brennender Gottesliebe den sicheren Hafen anfährt, ist das Schiff des gottlosen Lebens entgegengesetzt, das ziellos auf dem Meer hin- und hertreibt (zerrissenes Segel!).
Auf dem südlichen Medaillon richten sich (vier) Speere und (zwei) Hellebarden gegen ein Schild mit einer Monstranz: Der Leib Christi in der Monstranz als Schutzschild, das vor den Bedrohungen und Gefahren schützt, wenn wir durch das Band der Liebe damit verbunden sind (Symbol des Strickes). Die Seitenaltarbilder werden flankiert von Figuren der hll. Katharina und Barbara (Marienaltar), bzw. Rochus und Sebastian (Sylvesteraltar) nach Art des Heinrich Hagn aus Weilheim um 1700. Weitere Assistenzfigürchen an den Seitenaltären sind wohl als hl. Isidor und hl. Leonhard (südlicher Altar) und hl. Antonius der Einsiedler und hl. Benedikt (nördlicher Altar) zu identifizieren und spiegeln in der spirituellen Verehrungstradition lokale Gewohnheiten und Verbundenheiten, aber auch die landwirtschaftliche Prägung wieder.
Des weiteren findet sich über dem Eingang zur Beichtkapelle / zum Turm eine Figur des hl. Erzengels Michael. Am Ende der ersten Bankreihe finden sich reizvolle Tragfigürchen mit dem hl. Ul-rich (ca. 1450) und dem hl. Georg (um 1520).
Auf dem Chorbogen ist ein Medaillon mit Motiv des Kreuzes als Lebensbaum zu sehen. Dieses Motiv zieht die Verbindung vom paradiesischen Baum des Lebens, der gleichsam vorausweist, auf das Kreuz als wahres Holz des Lebens, weil ja Christus durch seinen Tod am Stamm des Kreuzes sozusagen als Frucht dieses Opfertodes, Erlösung, also ewiges Leben, ermöglicht hat. Die Inschrift in schlechtem, kaum übersetzbaren Latein wäre sinngemäß wiederzugeben: Ich will den Baum ersteigen und seine Frucht ergreifen. Gemeint ist wohl, dass der Glaubende durch den Glauben an den Erlösungscharakter des Kreuzestodes Jesu das ewige Leben gleichsam als Frucht erhält. Daneben in Medaillons Ähren und Trauben als Hinweis auf die eucharistische Materie, rechts das Wappen der Staufer, links das Fuggerwappen, allerdings in falschen Wappenfarben. Das Lebensbaummotiv wird stark stilisiert wieder aufgenommen im neuen Volksaltar, der bei der Altarraumgestaltung 1999, nach einem Entwurf von Hermann Heller, geschaffen wurde und die Reliquien des hl. Simpert (dritter Augsburger Bistumspatron) und der hl. Märtyrerin Christina birgt.
Bei dieser Umgestaltung wurde der Beichtstuhl in den Kirchturm verlegt und so ein kleines Beichtzimmer geschaffen, das dem intimen Rahmen des Bußsakraments Rechnung trägt. Am vorherigen Platz des Beichtstuhles kam der lange an die Seite verbannte und jetzt wieder restaurierte Taufstein (wohl aus dem 19. Jahrhundert) zu stehen.
Guter Gott,
wir haben eine Kirche angeschaut, eine mit einem * im Kunstdenkmalführer, Prädikat “sehenswert – lohnt einen Umweg”.
Wir haben die Arbeit der Künstler bewundert und uns erfreut am filigranen Schmuck der Kirche. Wir haben erfahren, welche Künstler hier tätig waren und wann sie gelebt und gewirkt haben.
Was wir dabei fast übersehen hätten:
Dieses Gebäude ist Dein Haus!
Wie einen Kunstgegenstand haben wir es besichtigt und bewertet. Du aber hast auf ein Gebet gewartet, darauf, dass wir mit Dir in Verbindung treten und Dich als lebendige Wirklichkeit in unser Leben einlassen. Hier in Deinem Haus lässt Du Dein Volk die Taten Deines Heils erleben. Hilf uns, das als erstes wahrzunehmen, wenn wir in eine Kirche eintreten.